Vielleicht denkst du: "Okay, das scheint ja alles einleuchtend zu sein. Aber wie finde ich Zugang zu meinem Herzen und wie bleibe ich darin wohnen?"
Wenn du deine Ängste überwindest, kannst du Zugang zu deinem Herzen finden. Wenn du dich deinem Herzen hingibst, kannst du auch darin wohnen bleiben. Hingabe bedeutet sich den Herzenskräften zu ergeben, auf die Kontrolle zu verzichten und das Bedürfnis abzulegen, zu urteilen. Damit du dich hingeben kannst, musst du dein Egobewusstsein, jenen in Herz und Verstand gespaltenen Bereich, zugunsten eines größeren, umfassenderen Bewusstseins aufgeben. Du kannst nur Zugang zu diesem Bewusstsein finden, wenn du Zugang zu deinem Herzen findest.
Deine chronische Angst ist nur die Folge von Urteilen. Alles was dir und deinem inneren Frieden im Wege steht, sind Urteile. Das ist deshalb so, weil du durch ein Urteil nicht die Liebe erlebst, sondern dein Urteil. Darum ist es deine Aufgabe, den Weg für die Liebe frei zu machen, indem du keine problematischen Urteile mehr fällst. Das bedeutet, dass du Urteile loslässt, bei denen man das Bejahen oder Verneinen als beliebig(möglich) annimmt. Es bedeutet, modale Urteile loszulassen, also solche, die den Dingen im Leben einen Wahrheitswert zuordnen. Es bedeutet deine Urteilskraft auf feststellende Urteile zu beschränken, also solche, die deine Erkenntnisse und dein Wissen bilden. Es bedeutet, die Erfahrung entgegenzunehmen und sie nicht durch gewisse Urteile abzuweisen. Es bedeutet, sich mit unbewussten Urteilen nicht zu identifizieren. Es bedeutet, sich mit problematischen Urteilen nicht zu identifizieren. Es bedeutet, sich mit der Liebe zu identifizieren.
Wenn du dich ausgiebig darauf konzentrierst, zu urteilen, wird es dir leicht gelingen, dich in deinen Kopf zu flüchten, und dein Herz beiseite zu lassen. Wenn dein Herz Ängste hegt, dann nur deshalb, weil du dich nicht darum gekümmert hast. Und gerade wenn es Angst hat, willst du dich lieber mit urteilen beschäftigen, weil du Angst vor deiner Angst hast. Und es ist nicht schwer für dich, deine Ängste ins Unbewusste abzuschieben, indem du deine Urteilskraft auf ganz andere Dinge lenkst: Du lenkst dich mit Unterhaltung, Spielen, Lesen, Schreiben, oder anderen Sachen ab, die dich betäuben, gedanklich ablenken oder deinen Verstand ganz abschalten. Du lenkst deine Aufmerksamkeit auf gewisse Urteile, genau so, wie ich es tat, als ich diesen Text hier schrieb. Genau in diesem Moment hege ich viele Ängste und wage es nicht, mich um sie zu kümmern. Stattdessen lenke ich mich durch meine Urteilskraft ab. Nur weil deine und meine Urteilskraft so stark ist, gelingt es dir und mir überhaupt, dich und mich von deinen und meinen Ängsten abzulenken. Du bist so klug, dass du wieder so dumm bist, und deiner Angst keine Aufmerksamkeit schenkst. Ich bin so klug, dass ich wieder so dumm bin, und meiner Angst keine Aufmerksamkeit schenke.
Wir alle haben unsere Liebe von unserer Urteilskraft abhängig gemacht. Die Bedeutungen, die wir den Dingen übergestülpt haben, sind die Urteile, die wir über sie gefällt haben. Der Wirklichkeit stattdessen zu vertrauen, bedeutet zu wissen, ohne zu wissen, woher man dieses Wissen hat. So vertraust du auch dir selbst und den anderen, indem du das Gutsein nicht von deinen oder den Urteilen der anderen abhängig machst. Die Liebe lässt sich nur noch finden, wenn wir unsere Urteilskraft in Einklang mit der Herzenskraft bringen. Mit jeder Erfahrung, die wir annehmen, anstatt ihr eine Bedeutung überzustülpen, wird uns der Weg gezeigt.
Wenn du nicht lernst, deiner Wut, deiner Angst und deinen enttäuschten Erwartungen mit Mitgefühl zu begegnen, wie soll die Liebe dann in dein Leben finden? In diesem Moment halten zahlreiche Urteile dich davon ab, dich zu lieben. Du hast das Urteil gefällt: "Erst wenn ich Bedingung A erfülle, werde ich der Liebe wert sein." Und darum musst du Bedingung A erst erfüllen, damit du dir mit Mitgefühl begegnen kannst. Und wenn du dich mit gewissen Urteilen identifizierst, und ihnen sehr viel Aufmerksamkeit schenkst, wirst du zum Opfer deiner Urteile. Denn sie verjagen dich aus dem Paradies im Herzen. Zusätzlich urteilst du auch noch über deine Urteile und Urteilsurteile. Kein Wunder als, dass du verwirrt bist.
Ein Verstand, in dem Klarheit herrscht, fällt keine bewussten Urteile. Hier liegt das betrachtende, beobachtende Bewusstsein, indem du keine bewussten Urteile fällst. Hier identifizierst du dich nicht mit deinen Urteilen. Wir sind wach, wenn wir die Situation beobachten und uns nicht mit unseren Urteilen identifizieren und wir schlafen ein, sobald wir uns damit identifizieren. Natürlich schläfst du auch mal ein. Aber sei achtsam, denn dein Problem liegt darin, dass du eine riesige Urteilskraft hat, und wenn du dumm bist, verstärkst du mit deiner Kraft nur das Schlafen, anstatt endlich aufzuwachen. Deine Urteilskraft ist sicherlich stark genug, um dich bis kurz vorm Tode im Schlafzustand zu halten. Aber das willst du nicht. Du willst endlich leben, und das bedeutet, wach zu sein.
Je länger du in dem Zustand des Betrachtens verweilst, desto ruhiger wird der Verstand. Urteile kommen und gehen, aber sie berühren dich nicht. Erst dann beginnst du in der Liebe zu ruhen, die selbst deine Urteile liebevoll auffängt. Dann findet der Verstand Frieden.
Ein aufnahmebereiter Verstand zeichnet sich durch Frieden und Klarheit aus. Ein zugänglicher Verstand identifiziert sich nicht mit Urteilen und beschäftigt sich nicht durch seine Urteilskraft. Ein zugänglicher und aufnahmebereiter Verstand, der sich selbst, den anderen und der Wirklichkeit vertraut, also auf diesbezügliche Urteile verzichtet, ist aufgeschlossen. Ein aufgeschlossener Verstand kann mit Leichtigkeit auf die Herausforderungen des Augenblicks reagieren. Er ist unbehindert und frei. Er befindet sich genau im Hier und Jetzt. Das hat zum Ergebnis, dass er für alle Möglichkeiten offen ist, die sich entwickeln können. Urteile dagegen schränken die Wahrnehmung ein.
Es ist nicht möglich, nie wieder Urteile zu fällen, die dich daran hindern, dich zu lieben. Doch du solltest immer zur Offenheit des aufgeschlossenen Verstands zurückkehren. Du sorgst für eine Beweglichkeit des Öffnen und Verschließens: Du identifizierst dich mit Urteilen und kehrst zur einfachen Bewusstheit zurück. Du schränkst deinen Blickwinkel ein und erweiterst ihn. Wenn von Freiheit die Rede ist, ist eine Freiheit von den Urteilen die Rede.
Eine Meinung oder Überzeugung ist ein komplexes Gebilde aus feststellenden Urteilen. Solche Urteile musst du nicht loslassen. Du musst jetzt auch nicht alle deine Urteile infrage stellen. Wenn du jedoch Fehler gemacht hast, kannst du sie zugeben, indem du deine falschen Urteile akzeptierst und sie loslässt, anstatt sie behalten zu wollen, um sie schließlich durch neuere Urteile zu ersetzen. Wenn du dich nicht an alte Urteile klammerst oder schlagartig neue Urteile fällst, kannst du die für den Augenblick am besten geeignete Handlungsweise erkennen.
Wenn Urteile sich zu widersprechen scheinen, solltest du dich spätestens dann nicht mehr damit identifizieren und keine weiteren bewussten Urteile fällen. Du beobachtest sie, wartest, wirst ganz still und hörst zu. Vielleicht helfen äußere Änderungen dir dabei, wie Meditation, Wanderung, Angeln oder sonstiges, was den Körper fordert und dich damit von deiner Kopflastigkeit ablenkt. Druck entsteht, wenn deine Urteile sich zu widersprechen scheinen und du deinen Verstand trotzdem nicht öffnen willst. Du kannst den Druck mit der Zeit auflösen, indem du aufhörst, das Leben andauernd durch deine Urteilskraft zu beeinflussen. Du akzeptierst die Dinge so, wie sie sind, und machst diese Akzeptanz nicht von deinen Urteilen abhängig. Okay, vielleicht mag das Urteil fallen: "Das Leben erscheint gerade unvollkommen". Aber es ist nicht zu ändern. Du kannst keine eigene Kraft aufbringen. Entweder, die Kraft kommt aus deinem Herzen oder aber du verwendest deine Urteilskraft. Und Mit deiner Urteilskraft wirst du jetzt sowieso nichts ändern. Wenn es dir hilft, dich zu akzeptieren, kannst du dich auch an schönere Zeiten erinnern. Wenn du mit der Gesamtheit deiner Gefühle einverstanden bist, also wenigstens keine Urteile fällst, die zur Abneigung irgendwelcher deiner Gefühle führt, kannst du wahrhaftig sein und deine Masken ablegen.
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